16. Januar 2018
Alkoholische Getränke sind Partybeschleuniger, Kulturgut und Wirtschaftsfaktor. Sie gehören für viele Menschen zum Alltag, und die meisten können damit umgehen. Mindestens 4 Millionen Bundesbürger können das aber nicht. Entweder betreiben sie Alkoholmissbrauch und trinken trotz persönlicher gesundheitlicher Schäden. Oder sie sind bereits alkoholabhängig. Dann können Sie nicht mehr aufhören, obwohl sie es sich fest vorgenommen haben (Kontrollverlust), müssen die Menge für die gleiche Wirkung steigern (Toleranzentwicklung) oder leiden an Entzugssymptomen, wenn Alkohol weggelassen wird.
Die Folgen dieser Alkoholkrankheiten sind gravierend. Es drohen zum Beispiel Führerschein- und Arbeitsplatzverlust, Scheidung, Krebsleiden oder andere schwere Erkrankungen vor allem von Leber, Herz und Nervensystem. Letztlich gehen jährlich 70.000 Todesfälle auf Alkohol zurück. Ein Drittel der stationären Aufnahmen in unsere Klinik sind alkoholbedingt.
Doch so weit muss es nicht kommen. Der Übergang vom Genusstrinken zum Problemtrinken und riskanten Konsum verläuft meist schleichend. Man kann handeln! Ein Alkoholproblem droht, wenn jemand nicht wegen des Genusses, sondern wegen der Wirkung trinkt. Das Gehirn lernt, dass Alkohol Zustände innerer Leere oder unangenehme Gefühle wie Ärger, Wut und Einsamkeit vertreibt. Mit Alkohol vergisst der Mensch seine Probleme. „Wer Sorgen hat, hat auch Likör.“ Diesen Spruch nannte Wilhelm Busch in seinem Gedicht „Die fromme Helene“ eine alte Weisheit.
Wenn Alkohol Probleme macht, dann ist Alkohol das Problem. Die negativen Folgen von Alkohol werden typischerweise lange verdrängt. Konflikte und Entfremdung in Familie und Partnerschaft, Stress mit dem Chef, Probleme im Straßenverkehr oder körperliche Störungen als Folge von zu viel Alkohol sind dem Umfeld oft schon lange aufgefallen, bevor der Betroffene zu ahnen beginnt, dass da ein Zusammenhang besteht. Lange will man es nicht wahrhaben. Suchtpatienten sind Meister im Verdrängen –auch vor sich selbst.
Die konsumierte Alkoholmenge hilft wenig bei der Klärung, ob problematischer Alkoholkonsum vorliegt - zu unterschiedlich sind Konsummuster und individuelle Verträglichkeit. Man muss sich mit den eigenen Motiven und Reaktionen befassen.
Je mehr der folgenden Fragen mit Ja beantwortet werden, umso wahrscheinlicher besteht ein Alkoholproblem: Haben Sie schon einmal bewusst versucht, den Alkoholkonsum langfristig zu senken ? Sind Sie schon einmal wütend geworden, wenn jemand Sie auf ihren Alkoholgenuss ansprach ? Hatten Sie schon einmal Gewissensbisse oder Schuldgefühle wegen Alkohols ? Brauchten Sie morgens ein alkoholisches Getränk, um sich nach einem Abend mit viel Alkoholgenuss wieder fit zu fühlen ?
Schon bei einer mit „ja“ beantworteten Frage sollte man zur weiteren Klärung eine Suchtberatungsstelle aufsuchen, z.B. bei der Caritas (Tel. 5002840) oder der Diakonie (Tel. 926-0) in Darmstadt. Dort trifft man auf kompetente Fachleute und lernt die eigene Situation besser zu verstehen. Bei Bedarf werden gemeinsam Therapieschritte eingeleitet. Die Beratung ist kostenlos. Auch Selbsthilfegruppen helfen bei der Klärung und unterstützen bei der Stabilisierung. Im Internet kann man sich über die Alkoholproblematik informieren und z.B. einen Selbsttest auf der Seite kenn-dein-limit.de machen.
Schamgefühle und Ängste hindern viele an diesen wichtigen Schritten. Doch: Es ist keine Schande, alkoholkrank zu sein, aber es ist eine Schande, nichts dagegen zu.