01. März 2024
Heute, am 1. März 2024, findet der globale Aktionstag „PULSEDAY“ statt. Dabei geht es vor allem um eins: unseren Puls – unseren Herzrhythmus – ins Bewusstsein zu rücken. Denn obwohl unser Herz der „Motor des Lebens“ ist und im Normalfall „regelmäßig und perfekt koordiniert mit etwa 100.000 Schlägen am Tag“ schlägt – so formuliert von der Deutschen Herzstiftung – und damit unseren Körper mitsamt aller lebenswichtigen Organe mit Sauerstoff versorgt, denken wir doch relativ selten bewusst darüber nach. Dabei lohnt es sich, einmal inne zu halten und sowohl den Herzrhythmus als auch Herzrhythmusstörungen in den Blick zu nehmen.
Herr Professor Schneider, warum ist das Bewusstsein für Herzrhythmusstörungen so wichtig?
Prof. Wolfgang Schneider: „Herzrhythmusstörungen sind neben der Herzkranzgefäßerkrankung und der Herzschwäche eine der Hauptursachen für die Beanspruchung medizinischer Hilfe in einer Praxis und oder einer Klinik. Tatsächlich sind im Laufe des Lebens eine von drei Personen von Herzunregelmäßigkeiten betroffen. Die nationalen und internationalen Fachgesellschaften haben deshalb bewusst den 1. März (1/3) zum „Pulstag“ (engl. #PULSEDAY) erklärt. Ziel dieser einmal jährlich stattfindenden Kampagne ist es, das Bewusstsein der Bevölkerung für eine wichtige Gesundheitsproblematik zu wecken und zu schärfen. Dabei werden insbesondere Menschen, die sich bisher nicht mit Ihrem Herzrhythmus beschäftigt haben, aufgefordert, an diesem Tag ihren Puls zu fühlen: Sollte dieser unregelmäßig, beschleunigt oder verlangsamt sein, wären weitere medizinischen Abklärungen sinnvoll.“
Was versteht man unter Vorhofflimmern und warum ist die Diagnose dessen so wichtig?
Prof. Wolfgang Schneider: „Beim Vorhofflimmern handelt es sich um eine völlig unregelmäßige Herztätigkeit. Diese stellt die häufigste medizinisch relevante Rhythmusstörung des Menschen dar und tritt mit zunehmenden Alter verstärkt auf. Durch die unkoordinierte Tätigkeit der Herzvorhöfe und -kammern können sich Gerinnsel in den Vorhöfen bilden, die – wenn sie beispielsweise ins Gehirn ausgeschwemmt werden – zu Schlaganfällen führen. Diese emboliebedingten Gehirnschädigungen sind für 20 bis 30 Prozent der Schlaganfälle als Folge von Durchblutungsstörungen verantwortlich. Sie verursachen im Gehirn oft besonders schwere neurologische Ausfallserscheinungen wie Halbseitenlähmung und Sprachlähmungen.
Wenn die Rhythmusstörung rechtzeitig erkannt wird und entsprechende medikamentöse Schutzmaßnahmen ergriffen werden, kann diese gravierende Entwicklung in den meisten Fällen verhindert werden. Dies geschieht durch die Einleitung einer blutgerinnungshemmenden Behandlung (sog. Antikoagulation).“
Welche Herzrhythmusstörungen gibt es noch?
Prof. Wolfgang Schneider: „Da das menschliche Herz in Ruhe ca. 60- bis 80-mal in der Minute schlägt, kommen am Tag mehr als 100.000 Impulse zustande. Somit ist es gut nachvollziehbar, dass es auch bei herzgesunden Personen gelegentlich zu Störungen kommt, die dann in der Regel harmlos sind.
Das Spektrum der Herzrhythmusstörungen ist insgesamt sehr breit: Von harmlosen einzelnen Extraschlägen („Stolperherz“) erstreckt es sich über anfallsweises Herzrasen (sog. „Paroxysmale Tachykardie“) über das erwähnte Vorhofflimmern bis zu Rhythmusstörungen aus dem Bereich der Herzkammern. Besonders gefährlich sind letztere dann, wenn die Herzmuskulatur bereits geschädigt ist. Dies ist insbesondere bei infarktgeschädigten Herzen, schweren Herzmuskelerkrankungen (sog. „Kardiomyopathien“) bzw. bei fortgeschrittenen Herzklappenerkrankungen der Fall.
Zu den Herzrhythmusstörungen gehören ferner Verlangsamungen der elektrischen Aktivität des Herzens, die – wenn sie ein bestimmtes Maß unterschreiten – zu Schwindel und Ohnmachtsanfällen („Synkopen“) führen können. In diesen Fällen liegt die Herzschlagzahl häufig unter 40 in der Minute bzw. es treten Pausen zwischen den einzelnen Herzschlägen von über 3 Sekunden auf. In gravierenden Fällen bzw. wenn sich keine behebbare Ursache findet – wie z.B. der Ausgleich von Mineralstoffdefiziten (insbesondere Kaliummangel) – wird in diesen Situationen ein Herzschrittmacher implantiert, der eine untere Mindestfrequenz des Herzens garantiert.“
Was ist das Kammerflimmern?
Prof. Wolfgang Schneider: „Besonders gefährlich sind extreme Beschleunigungen des Herzrhythmus aus dem Kammerbereich. Zu nennen sind hier insbesondere die sog. Kammertachykardie („Ventrikuläre Tachykardie“) und das Kammerflimmern. Beim Kammerflimmern liegt eine völlig ungeordnete elektrische Aktivität des Herzmuskels vor: Die Pumpleistung kann nicht mehr aufrechterhalten werden und lebensrettende Sofortmaßnahmen (Herzdruckmassage, Defibrillatoranwendung) sind dringend erforderlich. Solche elektrischen Katastrophen am Herzen eignen sich insbesondere im Zusammenhang mit akuten Infarkten bzw. bei schwer kranzgefäßkranken Menschen mit stark herabgesetzter Pumpleistung des Herzens (Herzinsuffizienz). Häufig kann hier über die Einpflanzung eines Defibrillators das langfristige Überleben sichergestellt werden.“
Wie lassen sich Herzrhythmusstörungen diagnostizieren?
Prof. Wolfgang Schneider: „Die Unterscheidung zwischen harmlosen und gefährlichen Rhythmusstörungen, d.h. lebensbedrohlicher Abweichungen, ist eine anspruchsvolle ärztliche Aufgabe und beinhaltet in der Regel EKG, Langzeit-EKG und Ultraschalldiagnostik; im Einzelfall auch sog. „bildgebende Verfahren“ wie Computertomografie, Herzkatheteruntersuchung und spezielle Herzkathetertechniken zur Ableitung der elektrischen Potenziale im Herzen. Es handelt sich dabei um das Spezialgebiet der Elektrophysiologie.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es ein großes Anliegen der Fachgesellschaften und der Ärzteschaft ist, das Bewusstsein der Bevölkerung für Herzrhythmusstörungen zu schärfen und beispielsweise durch einfache Verfahren wie Pulsmessung am Handgelenk die Weichen für eine eventuell notwendige weitere Abklärung zu stellen.
Im Übrigen haben sich in der Diagnostik der Herzrhythmusstörungen die modernen sogenannten Smartwatches sehr bewährt. Sie können heute mit großer Präzision die wichtigen Rhythmusstörungen aufzeichnen und die Diagnostik damit wesentlich vereinfachen.“
Prof. Dr. med. W. Schneider
Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie & Psychotherapie
am Medizinischen Versorgungszentrum Agaplesion Elisabethenstift